Wie die Türkei China ablöst
Es geht um Milliardeninvestitionen. Doch das schreckt Uganda nicht. Auch nach Jahren der Verzögerung hält das ostafrikanische Land am Projekt eines Schienennetzes mit normaler Spurbreite ("standard gauge railway" – SGR) fest. "Die Normalspurbahnen eröffnen die Möglichkeit von Massentransporten – zuverlässig und schneller", sagt David Mugabe, Sprecher des ugandischen Normalspurbahnprojekts. "Die Hafenstadt Mombasa in Kenia ist dann in einem Tag erreichbar."
Gerade erst hat das Land an den Großen Seen einen Vertrag mit einem chinesischen Unternehmen gekündigt. Die China Harbour Engineering Company hatte 2015 den Zuschlag bekommen, für 2,2 Milliarden US-Dollar den Streckenabschnitt von Ugandas Hauptstadt Kampala zum kenianischen Grenzort Malaba zu bauen. Dann ging es jahrelang hin und her. Schließlich kam die Corona-Pandemie hinzu, die die wirtschaftlichen Spielräume beider Länder einschränkte. Am Ende gab es kein Geld von der staatlichen China Exim Bank für das Projekt.
Die Regierung habe allen Grund, sich aus dem Vertrag zurückzuziehen, wenn der Partner mit der Umsetzung nicht vorankomme, sagt der ugandische Journalist John Kibego. "Die Regierung steht im Dienst der Bevölkerung. Wenn sie schlecht verhandelt, trägt die Bevölkerung die Last." China hatte über Jahre hinweg die wichtigsten Infrastrukturprojekte in Uganda finanziert; umgesetzt wurden sie von chinesischen Unternehmen.
Jetzt könnte eine Trendwende einsetzen: Die Regierung sei im Kontakt mit türkischen Partnern, bestätigt Projektsprecher David Mugabe: "Wir haben ein Memorandum of Understanding unterschrieben. Jetzt laufen die technischen und finanziellen Vorbereitungen für einen finalen Vertrag."
Türkei in Afrika im Aufwind
Die Türkei habe die Präsenz auf dem Kontinent verstärkt, sagt Yunus Turhan, der an der Haci-Bayram-Veli-Universität in Ankara über türkisch-afrikanische Beziehungen forscht. "Heute hat die Türkei Handelsabkommen mit 45 afrikanischen Staaten, über 1500 türkische Unternehmen haben insgesamt 70 Milliarden US-Dollar in Afrika investiert", sagt Turhan. Laut seinen Informationen hat sich das Handelsvolumen in den letzten zwei Jahrzehnten mehr als verdoppelt und lag 2020 bei 27 Milliarden US-Dollar.
In diesem Kontext sei auch die verstärkte Zusammenarbeit mit türkischen Partnern zu bewerten, die nicht nur im Preisvergleich, sondern auch in puncto Schnelligkeit und Qualität gegenüber chinesischen Unternehmen punkten könnten.
Partner für die neue Eisenbahntrasse ist laut ugandischen Angaben das türkische Bauunternehmen Yapi Merkezi. "Türkische Unternehmen haben bisher gute Qualität geliefert", sagt Journalist John Kibego. Yapi Merkezi habe bereits eine wichtige Straße in Norduganda gebaut: "Regierungsvertreter sind voll des Lobes und auch aus Sicht der lokalen Bevölkerung ist die Straße perfekt", so Kibego.
Yapi Merkezi bringt verschiedene Vorteile für Uganda mit: So ist das Unternehmen bereits an vier von sechs Streckenabschnitten entscheidend am Bau des SGR-Netzes in Tansania beteiligt, kann also einschlägige Erfahrungen in der Region vorweisen. Außerdem hat es reichlich Erfahrung mit Finanzierungsmodellen, die sich auf westliche Geldgeber und insbesondere auf sogenannte Exportkreditagenturen stützen, und bei der Akquise dieser Geldgeber.
Zwei Routen für die regionale Integration
"Schon 2017 wurde bekannt, dass Yapi Merkezi das schnellste Eisenbahnnetz Ostafrikas bauen wollte", sagt Yunus Turhan. Der Bau des SGR-Schienennetzes in Tansania ist inzwischen weit vorangeschritten. Der Abschnitt von der Hafenstadt Daressalam bis Morogoro im Landesinneren ist abgeschlossen und könnte in Kürze eröffnet werden, nachdem erste Tests gut gelaufen sind. Auch der Bau eines zweiten Abschnitts, der die Hauptstadt mit Dodoma verbindet, ist weit fortgeschritten, weitere sind bereits in Arbeit.
Erst vergangenen Dezember wurde ein Deal zum Bau des sechsten Abschnitts im Westen Tansanias, von Tabora nach Kigoma, besiegelt – diesmal in Partnerschaft mit einem chinesischen Unternehmen. Tansanias Präsidentin Samia Suluhu Hassan verteidigte die Kosten von insgesamt zehn Milliarden US-Dollar (rund 9,2 Milliarden Euro): "Die Mühen von heute sind der Gewinn von morgen", sagte sie der Presse. Nach Fertigstellung des Normalspur-Bahnnetzes werde Tansania "besser aufgestellt sein, um seine strategische Lage für den transnationalen Handel zu nutzen".
Tatsächlich ist beim Streckenausbau auch ein regionaler Wettbewerb im Gange. Die tansanische Streckenführung bildet hier den "zentralen Korridor" ins Innere des Kontinents. "Alle Länder in Ostafrika investieren in die SGR-Strecken, um ihre Wirtschaft anzukurbeln", sagt der ugandische Wirtschaftsexperte Isaac Khisa. "Kenia, Tansania, Ruanda und die Demokratische Republik Kongo investieren in SGR. In diesem Kontext versteht sich Uganda, das zwischen all diesen Ländern liegt, als Knotenpunkt für den regionalen Handel."
Doch mit der Umsetzung seiner Normalspurbahn hinkt das Land nun hinterher. Der "nördliche Korridor" im regionalen Schienennetz, der in der kenianischen Hafenstadt Mombasa beginnt, soll einmal Kisangani im Kongo, Kigali in Ruanda und Juba im Südsudan anbinden. Bisher endet er im kenianischen Naivasha, rund 90 Kilometer westlich der Hauptstadt Nairobi.
Schneller Ausweg: Zurück zu kolonialen Trassen
Für den Moment hat Tansania also die Nase vorn. Im Gegensatz zu Tansania würden in Kenia die Kosten von Mega-Projekten explodieren, weil politische Kartelle profitieren wollten, sagt der kenianische Analyst James Shikwati, Gründer des Thinktanks "Inter Region Economic Network".
Die Normalspurbahn von Mombasa nach Nairobi war das bisher teuerste Infrastrukturprojekt in Kenia. Während das tansanische Gegenstück weitgehend autark von der tansanischen Eisenbahngesellschaft betrieben wird, liegt das kenianische Prestigeprojekt weiter in den Händen chinesischer Betreiber.
Die Einnahmen sollen genutzt werden, um kenianische Schulden zu begleichen. Obendrein war die Nutzung des Hafens von Mombasa zuletzt an den Gütertransport per Schiene gebunden – ein Zugeständnis an China, das Kenias Präsident William Ruto gleich nach Amtsantritt im September 2022 rückgängig machte.
Ohnehin fahren Kenia und Uganda hier im doppelten Sinne mehrgleisig: Nach und nach werden mit etwas geringeren Geldmengen die Schmalspurbahnen aus Kolonialzeiten instandgesetzt, um möglichst schnell die lückenlose Anbindung in den Kongo und den Südsudan zu erreichen. Diese sind allerdings nicht so belastbar wie das Normalspursystem.
Langfristig würden sich die Investitionen in die neue Spurbreite auszahlen, sagt auch Wirtschaftsexperte Shikwati in Nairobi. "Schulden sind nicht zwangsläufig eine schlechte Sache", schreibt er. "Auch Unternehmen nehmen Schulden auf." Wichtig sei vielmehr, dass diese Schulden dem "richtigen" Ziel dienen, nämlich die Entwicklung anzutreiben.
Philipp Sandner, Emmanuel Lubega & Burak Ünveren
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