Beispielhaftes Einbinden

Anpassen statt abschotten soll sich, wer in die Europäische Union einwandert. Doch Integration ist kein einseitiger Prozess, sie bedarf aufnahmebereiter Gesellschaften. Wie solche Strategien aussehen können, hat die EU-Kommission in einem neuen "Handbuch zur Integration" beschrieben.

Von Daniela Schröder
Cover des Integrationshandbuchs 2007
Mit Beispielen aus verschiedenen EU-Ländern möchte das "Handbuch zur Integration" ein Leitfaden für Integrationsstrategien sein, Foto: EU-Kommission

​​Mehr als 40 Millionen Einwanderer leben in der Europäischen Union. Die Zahl ihrer Kinder und Enkel ist um ein Vielfaches höher. Der Großteil der Zuwanderer gilt nach EU-Angaben als "gut in ihr soziales Umfeld integriert".

In den entscheidenden Bereichen Bildung und Beruf aber bleiben die Leistungen der Zuwanderer und ihrer Nachkommen deutlich hinter denen der Einheimischen zurück. Doch angesichts des stetig wachsenden weltweiten Wettbewerbs und niedriger Geburtenraten kann es sich die EU nicht leisten, das Potenzial ihrer Einwanderer ungenutzt zu lassen.

Eine unabhängige Organisation, die die EU-Kommission in Integrationsfragen berät, hat auf rund 100 Seiten bewährte Verfahren aus den Integrationspolitiken der vor dem Beitritt Rumäniens und Bulgariens 25 EU-Länder sowie aus Norwegen und der Schweiz zusammengestellt.

Zielgruppe des in allen Amtssprachen der EU veröffentlichten Leitfadens sind Entscheidungsträger und Experten, die im Bereich der Integration von Zuwanderern arbeiten: staatliche Stellen auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene, Sozialpartner, Dienstleister, Migrantenverbände, Selbsthilfegruppen und Hilfsorganisationen.

Lösungsansätze aus verschiedenen Ländern

Das erste Kapitel des Buches befasst sich mit der Frage, wie Integration zu einem festen Bestandteil politischer Strategien und Dienstleistungsangebote werden kann. In Stuttgart etwa ist die Stabsabteilung für Integrationspolitik unmittelbar dem Oberbürgermeister unterstellt. Integrationsfragen stehen daher ganz oben auf der politischen Tagesordnung.

In Irland wurde ein Dolmetscherdienst für Gesundheitsdienste eingerichtet, da Zuwanderer keinen Zugang zu Informationen hatten und daher medizinische Angebote kaum nutzten.

Das zweite Kapitel beschreibt, wie die geprägte Wohnsituation von Zuwanderern verbessert werden kann. Diskriminierende Vermieter, überhöhte Mieten, lange Wartelisten für Sozialwohnungen kennzeichnen die Lage.

In Umbrien und in der Lombardei können Zuwanderer Häuser auf Grundstücken bauen, die der Gemeinde gehören. Sachverständige und Vereine vor Ort bieten logistische und technische Hilfe, darunter auch Zugang zu Bankkrediten. Die sizilianische Stadt Scicli trägt die Hälfte der Kosten für Renovierungen, wenn Eigentümer ihre Wohnung für mindestens fünf Jahre zu einem vereinbarten niedrigen Preis an Zuwanderer vermieten.

Hamburg zahlt Studenten Mietzuschüsse, die in vorwiegend von Migranten bewohnte Stadtteile ziehen.

Integration auf dem Arbeitsmarkt

Im Kapitel "Wirtschaftliche Integration" finden sich Beispiele wie die Integration von Zuwanderern auf dem Arbeitsmarkt gefördert werden kann.

In Dänemark stellen fünf regionale Wissenszentren so genannte Kompetenzkarten über die fachlichen Qualifikationen von Zuwanderern und Flüchtlingen aus. Schweden bietet qualifizierten Zuwanderern eine dreiwöchige Lehre in ihrem Beruf an, damit sie ihre Fähigkeiten direkt am Arbeitsplatz unter Beweis stellen können.

Damit Zuwanderer auch als Unternehmer eine Chance haben, betreibt eine italienische Bank ein Kleinkreditprogramm. Kapitel Vier beschreibt, wie Integrationsstrategien auf lokaler Ebene koordiniert, finanziert und bewertet werden können.

Keine Patentrezepte

Andreas Halbach, Leiter der deutschen Abteilung der Internationalen Organisation für Migration (IOM), hält das Integrations-Handbuch für einen "guten Ansatz, um weiter zu kommen".

Auch wenn Integration in Deutschland schneller ablaufen könne, stimme die politische Richtung. Bewährte Verfahren auszutauschen, sei die Basis einer erfolgreichen Integrationspolitik in der EU, sagt Halbach. "Auch wenn die nationalen Politiken verschieden sind, gibt es doch Gemeinsamkeiten."

Diese zeigt auch das erste Integrations-Handbuch auf. Erschienen im November 2004, stellt es Einführungskurse für Neuzuwanderer und Flüchtlinge vor, zeigt Möglichkeiten für ihre Beteiligung an der Bürgergesellschaft und beschreibt Anzeichen erfolgreicher Integration.

Auch das Nachfolge-Handbuch erhebt nicht den Anspruch, Patentrezepte für eine erfolgreiche Integration liefern zu können. Schließlich sind Verwaltungsstrukturen, Fürsorgesysteme und die Beziehungen zwischen Staat und Bürgern in den EU-Ländern so unterschiedlich wie deren Verhältnis zu Einwanderern. Und die Zusammensetzung der Migrantenbevölkerung ist nicht nur von Land zu Land, sondern auch von Ort zu Ort verschieden.

Zudem befinden sich Europas Gesellschaften selbst im Wandel. Rasante wirtschaftliche und soziale Veränderungen beeinflussen gesellschaftliche Mechanismen und Institutionen wie Familie, Bildung und Erziehung, politische Parteien, Gewerkschaften, religiöse Organisationen und ehrenamtliches Engagement.

"Integration ist nicht leicht zu planen, sie ist ein langwieriger und nicht linear verlaufender Prozess", betonen die Autoren des Handbuchs. "Integration hat viele Gesichter und verlangt einem breiten Spektrum verschiedenster Akteure (...) große Anpassungsfähigkeit ab."

Daniela Schröder

© Qantara.de 2007