Gegen Zerrbilder und Klischees

Die Union der Kurzfilmregisseure will jungen Filmemachern aus der islamischen Welt mehr Geltung im internationalen Filmgewerbe verschaffen.

Interview von Martin Gerner

​​Warum wurde Ihre Organisation gegründet und was haben Sie im ersten Jahr erreicht?

Maheen Zia: In diesem ersten Jahr waren wir mit Filmen aus unseren Staaten in den jeweiligem Nachbarländern vertreten, auf Festivals in Palästina, im Libanon und in Syrien. Doch der Anfang war schon recht mühsam. Wir haben noch immer kein Büro, weshalb wir das Büro des "Teheraner Internationalen Kurzfilmfestivals" nutzen. Geplant war auch eine Teilnahme am "Karatschi Film-Festival", doch ist das wegen des Anschlages auf Benazir Bhutto geplatzt. So mussten wir das Festival 2007 absagen, weil es eine sehr unsichere Zeit war.

Die Union wurde in Teheran gegründet. Ist das nicht ein Widerspruch, wenn man seine Zentrale dort hat und andererseits so frei wie möglich arbeiten will?

Zia: Die Initiative zur Gründung ist eben von dort ausgegangen. Die "Iranian Young Cinema Society" lud die Gruppe, die den Kern der Vereinigung bilden sollte, zu sich ein. Der Schatzmeister stammt aus Afghanistan und der Verantwortliche für die Außenbeziehungen aus Tunesien. Deshalb kann man auch kaum von einer Machtkonzentration sprechen. Macht und Kontrolle sind schon auf viele Schultern verteilt. Die Mitgliedschaft steht jedem offen und wir laden jeden Filmemacher ein, sich zu beteiligen.

Woher kommen die Mitglieder der Union?

Zia: Sie stammen aus Asien und Afrika. Unter unseren Mitgliedern sind Filmemacher aus Tadschikistan, Usbekistan, Afghanistan, Pakistan, Iran, der Türkei, Tunesien, Syrien, dem Libanon, Kuwait, den Palästinensergebieten, Bosnien und Herzegowina sowie aus dem Sudan. Indien hat sich auch um eine Mitgliedschaft bemüht, da es eine muslimische Minderheit hat. Grundsätzlich steht die Vereinigung jedem Land offen, in dem Muslime leben, auch wenn es nicht nur auf Muslime beschränkt ist. Auch nicht-muslimische Filmemacher können Mitglieder werden.

Worum geht es Ihnen hauptsächlich? Darum, den Klischees zu begegnen, die sich vor allem seit dem 11. September über die muslimische Welt im Westen gebildet haben?

Zia: Ja, denn Muslime sehen sich einer Apartheid gegenüber. Das Ziel unserer Vereinigung ist es, der "Schwarz-Weiß"-Kultur etwas entgegenzustellen, die die Medien beherrscht und die alle Muslime entweder in Liberale oder Konservative einteilt. Gleichzeitig geht es darum, die Vielfalt des Islam und seinen Kulturen zu würdigen. Die muslimische Kultur Indiens unterscheidet sich sehr von der Tunesiens oder der in der Türkei. Deshalb ist es wichtig, dieser Vielfalt einen Raum zu geben und sie mit anderen zu teilen.

Was meinen Sie mit 'Apartheid'?

Zia: Bei den meisten Ländern, die ich aufgezählt habe, handelt es sich um arme Staaten. Filmemacher sehen sich wirtschaftlichen Nachteilen gegenüber. Außerdem sind sie in einer großen Zahl westlicher Medien unterrepräsentiert. Doch selbst in Indien lassen sich diese Klischees finden. Dass etwa ein Muslim immer einen Turban trägt, und eine arabische Bauchtänzerin ist auch in jedem Film zugegen – selbst in großen "Bollywood"-Produktionen. Um solche Fehler geht es.

Und in welcher Weise wird der Islam im Westen falsch dargestellt?

Zia: Nehmen Sie die Frage der Verschleierung als Beispiel, des Kopftuchs also. Es wird einzig als Symbol der Unterdrückung gesehen. Es gibt also nur ein sehr eingeschränktes Verständnis der tatsächlichen Bedeutung des Kopftuchs und seiner kulturellen Wurzeln. In Großbritannien gab es vor einigen Jahren einen Film mit dem Titel Yasmin. In diesem und in anderen Filmen waren fast nur Karikaturen von Muslimen zu sehen, Extremfälle. Sicher gibt es auch in der Wirklichkeit solche Typen, aber es sind doch Ausnahmen.

Ihnen geht es auch um einen besseren Zugang muslimischer Filmemacher zu internationalen Festivals. Mit welchen Schwierigkeiten haben sie dabei zu kämpfen?

Zia: Filmemacher in Afghanistan wissen zum Beispiel gar nichts über internationale Festivals. Sie wissen nicht einmal, dass es sie gibt. Auch in Pakistan hatten wir diese Verbindungen bis vor einigen Jahren nicht, als wir erfuhren, dass auch internationale Festivals unsere Filme annehmen würden. So geht es zunächst einmal um die Aufklärung darüber, welche Möglichkeiten es gibt, einen fertigen Film zu zeigen. Danach geht es um den Aufbau einer Datenbank. Jedem internationalen Festival ist es inzwischen möglich, eine größere Zahl von unseren Film kennen zu lernen.

Ein weiteres Ziel besteht darin, eine Auswahl von Filmen zu treffen, die auch auf den internationalen Filmmärkten gute Chancen haben, gekauft zu werden. Dies ist generell ein Schwachpunkt vieler Filmemacher: Sie können ihre Werke sehr schlecht selbst vermarkten und verkaufen. Auch hierbei will die Union sie unterstützen.

Was steht es um die Zukunftsperspektiven in den kommenden Jahren?

Zia: Noch haben wir ein zu kleines Budget, und wir sehen uns noch nach geeigneten Sponsoren um. Außerdem haben wir erst ein paar Dutzend Mitglieder. Für das nächste Jahr streben wir eine Mitgliederzahl von 500 Personen an, um der Union mehr Gewicht zu verleihen. Zunächst geht es um Workshops, die allerdings einige Zeit benötigen. Hoffentlich können wir auch schon bald eine Website aufbauen, die den Mitgliedern Informationen zu anstehenden Festivals bietet. Dann könnten wir ihnen auch beim Ausfüllen der Bewerbungsformulare helfen, weil es da oft sprachliche Schwierigkeiten gibt. All dies sind Hilfsangebote, die uns möglich sind, ohne dass sich alle persönlich treffen müssten.

Martin Gerner

© Qantara.de 2008

Übersetzung aus dem Englischen von Daniel Kiecol

Qantara.de

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