"Wer Moslem ist, bestimme ich"
Die Islamkonferenz in Berlin soll eine Brücke zwischen Muslimen und dem säkularen Deutschland schlagen. Das Gespräch wird aber erschwert durch Uneinigkeit unter den Teilnehmern und vorgefasste Islam-Definitionen. Ein Kommentar von Peter Philipp.
Mit großen Hoffnungen war im Herbst letzten Jahres zum ersten Mal die deutsche "Islamkonferenz" zusammengerufen worden, damit endlich einmal in größerem Kreis zwischen Muslimen und Nichtmuslimen Fragen erörtert werden könnten, die immer noch Zusammenleben und Integration erschweren.
Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble wollte mit dieser Konferenz eine Institution schaffen, die über einen längeren Zeitraum hinweg - angedacht waren zwei bis drei Jahre - eine Brücke schlägt zwischen dem modernen – vor allem aber: säkularen – Verfassungsstaat Deutschland und der wachsenden Gemeinde von bereits über drei Millionen Muslimen in Deutschland.
Nach ihrer Eröffnung Ende September in Berlin trat die Konferenz im Rahmen von Arbeitsgruppen zusammen, beim zweiten Treffen des Plenums stellt sich jetzt aber heraus, dass man kaum Fortschritte gemacht hat.
Eher im Gegenteil. Inzwischen nämlich streitet sich fast jeder mit jedem. Organisierte muslimische Teilnehmer mit Nichtorganisierten, Konservative mit Liberalen. Und dann auch noch Behördenvertreter mit Muslimen – obwohl doch gerade das hatte verhindert werden sollen.
Der Grund hierfür liegt einmal in der Zusammensetzung der Konferenz, zum zweiten aber auch in der scheinbaren Unfähigkeit der Behörden, sich dem Thema wirklich so offen und liberal zu nähern wie das Konzept der Konferenz es hatte hoffen lassen.
Fünfzehn Vertreter des Staates sitzen in der Konferenz fünfzehn Muslimen gegenüber, diese jedoch stellen keine homogene Gruppe dar – wie die Muslime in Deutschland es ja auch nicht tun: Da gibt es fünf Vertreter muslimischer Verbände, aber sieben prominente Einzelvertreter der Muslime und drei als muslimische Kritiker bekannte Personen.
Die eher konservativen Verbandsvertreter sahen sich von Anfang an majorisiert durch liberalere Einzelvertreter und diese wiederum waren misstrauisch gegenüber den Verbänden, weil diese doch eine konservative Linie verträten, die nicht repräsentativ sei für die Muslime in Deutschland.
Wer – wenn überhaupt jemand - die Muslime in Deutschland wirklich repräsentiert und repräsentieren kann, das ist seit langem die Frage.
Wann immer muslimische Verbände in der Vergangenheit ähnliche Anerkennung forderten wie die Kirchen oder doch zumindest die jüdische Minderheit in Deutschland, dann erwiderten die Behörden "bedauernd", solange die Muslime sich nicht organisierten und gemeinsam aufträten, solange bliebe es eben unmöglich, sie als homogene Gruppe zu behandeln.
Vor einigen Wochen formierte sich nun – sicher als ein Resultat der Islamkonferenz - der "Koordinierungsrat der Muslime", der von den vier wichtigsten muslimischen Verbänden gegründet wurde.
Statt dies als ersten Schritt in die richtige Richtung zu begrüßen, stimmen offizielle deutsche Sprecher – bis hin zum Bundesinnenminister – und auch liberale Muslime in einen Chor ein, der dem Koordinierungsrat vorwarf, nur eine kleine Minderheit der Muslime zu vertreten und obendrein auch noch von Konservativen bestimmt zu sein.
Der Eindruck verstärkte sich, als wolle man im Grunde gar keine institutionalisierte Vertretung der Muslime, zumindest aber keine konservative Vertretung. Frei nach dem Motto "Wer Moslem ist, bestimme ich" (In Abwandlung des historischen Satzes des ehemaligen Wiener Bürgermeisters Lueger "Wer Jude ist, bestimme ich").
So legten die offiziellen deutschen Vertreter den muslimischen Teilnehmern der Konferenz auch den Entwurf eines Bekenntnisses zur "deutschen Werteordnung" vor und ergingen sich in Dauerthemen wie der Kopftuch-Debatte oder der Frage des Schwimmunterrichts für muslimische Schülerinnen.
Besonders Vertreter des Koordinierungsrates sehen in diesen Vorstößen einen Beweis dafür, dass die Muslime in Deutschland noch weit davon entfernt sind, als gleichberechtigte Religionsgemeinschaft akzeptiert zu werden.
Aber sie geben nicht auf, denn es gibt auch positive Zeichen: So haben nicht nur das ZDF und der Südwestrundfunk (SWR) feste wöchentliche Beiträge zum muslimischen Feiertag am Freitag aufgenommen, sondern der SWR-Intendant denkt bereits darüber nach, ob Muslime nicht – ähnlich wie Kirchen und Juden – auch an den Aufsichtsgremien des Rundfunks beteiligt werden sollten.
Im Koordinierungsrat begrüßt man solches, denn in den Gremien der öffentlich-rechtlichen Sender sollen Vertreter "gesellschaftlich relevanter Gruppen" vertreten sein. Und das sind die Muslime in Deutschland nicht erst seit heute. Und das trotz des Streits auf der Islamkonferenz.
Peter Philipp
© Deutsche Welle 2007
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