An Hisbollah führt kein Weg vorbei
Die pro-syrische libanesische Opposition unter Führung der Hisbollah hat für einen Tag zu einem Generalstreik aufgerufen, der das öffentliche Leben im Libanon praktisch lahm legte. Die Hisbollah, die den Sturz der Regierung Siniora erzwingen will, hat damit wieder einmal eindrücklich ihre Macht demonstriert. Rainer Sollich kommentiert.
Der jüngste Ausbruch von Gewalt im Libanon ist Ausdruck eines Machtkampfes zwischen zwei politischen Lagern. Aber dieser Machtkampf hat nicht nur innenpolitische Gründe, sondern wird – wie so oft schon in der Geschichte des Landes – von den Interessen auswärtiger Mächte kräftig mit angeheizt.
Interessen, für die sich leider zahlreiche Libanesen instrumentalisieren lassen und die das kleine nahöstliche Küstenland erneut zu zerreißen drohen.
Auf der einen Seite stehen Syrien und der Iran, die beide die Hisbollah unterstützen. Beide Regimes haben kein Interesse an einem demokratischen Libanon, schon gar nicht an einem Libanon, der irgendwann einmal unter amerikanischem Einfluss einen friedlichen Ausgleich mit Israel suchen könnte.
Spätestens seit dem Krieg mit Israel im vergangenen Sommer ist allgemein bekannt, dass die Waffen der Hisbollah mit Geldern aus Teheran finanziert und über Syrien ins Land geschmuggelt werden. Der nach mehr regionaler Macht strebende Iran hat in der Hisbollah einen verlässlichen ideologischen und militärischen Verbündeten.
Und Damaskus fürchtet, wegen der Ermordung des libanesischen Ex-Regierungschefs Rafik Hariri als Hauptverdächtiger international an den Pranger gestellt zu werden und hat seit dem erzwungenen Truppenabzug aus dem Libanon vor zwei Jahren auch noch eine Rechnung offen mit den prowestlichen Kräften in Beirut. Syrien könnte schon bald wieder versucht sein, sich dem Libanon als Ordnungsmacht aufzudrängen.
Auf der anderen Seite stehen die USA und ihre regionalen Verbündeten – und die verfolgen im Libanon ebenfalls ihre eigenen Interessen: Der Versuch einer groß angelegten Demokratisierung des Nahen Ostens soll, wenn schon nicht im Irak, so doch wenigstens im Libanon Früchte tragen. Zudem ist der Westen dringend an verlässlichen Partnern in einer Region interessiert, in der es nicht nur darum geht, die Existenz Israels, sondern auch den Zugriff auf Energieressourcen zu sichern.
Die USA haben ihre Verbundenheit mit der Regierung in Beirut in jüngster Zeit so offen und deutlich demonstriert, dass diese sich mehrfach zu der Klarstellung genötigt sah, sie fühle sich keineswegs amerikanischen, sondern allein libanesischen Interessen verpflichtet. Trotzdem ist sie durch die allzu offensiven amerikanischen Solidaritätsbekundungen aus Sicht eines Großteils der Bevölkerung zusätzlich diskreditiert worden.
Die jüngste Eskalation ist eindeutig von der Hisbollah und ihren Verbündeten ausgegangen, also nicht nur von Islamisten, sondern auch von machtsüchtigen christlichen Politikern wie dem ehemaligen General Michel Aoun. Sie haben mit brennenden Straßenblockaden versucht, einem ganzen Land ihren Willen aufzudrängen und die Regierung zum Rücktritt zu zwingen. Ein gefährliches Spiel und faktisch ein Angriff auf die fragile libanesische Demokratie.
Aber auch die Anhänger des Regierungslagers haben sich nur allzu bereitwillig auf gewalttätige Zusammenstöße eingelassen. Bei allen politischen Gruppen wurde ein erschreckendes Ausmaß an Fanatismus offenbar, der das immer noch unter den Kriegsfolgen leidende Land nur noch tiefer ins Chaos stürzen kann.
Der vorerst beste Lösungsansatz, so banal das klingt, wäre die Wiederaufnahme des nationalen Dialogs. Solche Verhandlungen müssen auch zum Ziel haben, dass die Schiiten wieder angemessen in der Regierung vertreten sind. Die Regierung darf nicht allen Forderungen nachgeben, aber sie muss zur Kenntnis nehmen, dass die Opposition einen beträchtlichen Teil der Bevölkerung mobilisieren kann.
Es ist eine unbequeme Erkenntnis, aber die Proteste haben gezeigt, dass das Land nicht völlig an der Hisbollah vorbei regiert werden kann.
Rainer Sollich
© DEUTSCHE WELLE 2007
Qantara.de
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