Ausgebeutet und bevormundet
Eine Frau aus Sri Lanka arbeitet seit 18 Monaten in Kuwait, ohne bezahlt zu werden. Als sie schwanger wird, zeigt der Arbeitgeber die junge Frau bei der Polizei an. Als amnesty international mit der 26-Jährigen spricht, lebt sie bereits seit Monaten in einem Abschiebelager. Sie kann nicht in ihr Heimatland zurück, weil der Arbeitgeber ihr die Ausweispapiere verweigert.
Eine andere 50-jährige philippinische Arbeiterin kann sich vor Gericht nicht wehren, weil sie die arabischen Dokumente nicht versteht. Sie erhält keinen Beistand, hat keine Möglichkeiten, Kontakt mit ihrer Familie aufzunehmen. Bis heute haben Kuwait und andere Golfstaaten keine Konventionen zum Schutz vor Ausbeutung von Fremdarbeitern unterzeichnet.
Realistische Eindrücke vor Ort
Diese und weitere erschreckende Beispiele von Frauenrealitäten in den Golfstaaten hat die Menschenrechtsorganisation amnesty international in ihrem jüngsten Bericht mit dem Titel "Gulf Cooperation Council countries: Women deserve dignity and respect" festgehalten.
Im Juli und August vergangenen Jahres reisten Beobachter der Organisation in die Golfstaaten, um mit Frauen aus der Region, mit humanitären Helfern, Rechtsanwälten, Richtern und Regierungsvertretern zu sprechen. Da der Delegation die Einreise nach Saudi-Arabien allerdings verwehrt wurde, musste die Menschenrechtsorganisation ihre Informationen aus indirekten Quellen beziehen.
Diskriminierungen nicht nur auf dem Papier
Der Bericht zeigt auf, mit welchen fundamentalen Problemen Frauen konfrontiert sind. In der Golfregion begegnen Frauen vielen multiplen Formen der Diskriminierung in den meisten Aspekten ihres Lebens, resümiert amnesty international.
Es beginnt bereits mit der Verfassung: Die Rechte der Frauen tauchen in der Verfassung entweder gar nicht oder kaum auf. Die Klauseln zum Thema Gleichberechtigung sind vage formuliert und machen keinen Unterschied zwischen Mann und Frau. In Kuwait oder in Saudi-Arabien taucht die Rolle der Frau erst gar nicht auf.
Auch mit der Ratifizierung internationaler Abkommen tun sich manche Staaten schwer. Die UN-Konvention gegen Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frauen, kurz CEDAW, haben alle Golfstaaten, außer Oman und Katar, unterzeichnet. Kuwait, Bahrain und Saudi-Arabien haben dies nur mit Vorbehalten getan.
Gewalt als Kavaliersdelikt – Duldungen der Behörden
Die Alltagsrealität von Frauen in diesen Ländern sieht derweilen schlecht aus. Frauen berichteten amnesty international, dass im Alltag Gewalt gegen sie von der Polizei nicht einmal als Verbrechen gewertet werden würde, weil die Ehefrau unter der Autorität ihres Mannes stehe.
Eine Frau hat aber nicht nur die Gewalt des eigenen Mannes zu befürchten, sondern auch die ihrer Familie. Wenn Mädchen oder Frauen von männlichen Mitgliedern der Familie misshandelt und diskriminiert werden, wählen viele von ihnen die Flucht in die Heirat.
Doch wenn auch in der Ehe Gewalt gängig ist, befinden sich diese Frauen oftmals in einem Teufelskreis. Möglich wird der eben auch durch die fehlende Achtung und Wertung von Misshandlungen von Frauen in der Gesellschaft.
Sinnlose Schlichtungsversuche
Statt adäquate Maßnahmen gegen Gewalt in der Ehe zu treffen, versuchen Behörden und Polizei, Frauen, die aus dieser Situation fliehen, zur Rückkehr zu bewegen, kritisiert amnesty international. Diese Reaktion der Behörden führt mitunter weiter zur Misshandlung von Frauen, denn wo Frauen keinen Schutz erwarten können, haben Männer wenig zu befürchten.
Weiterhin haben die Menschenrechtsvertreter festgestellt, dass keine der von ihnen befragten Frauen, die Gewalt in der Familie erfuhren, nach den Misshandlungen eine ärztliche Behandlung, ein Gerichtsverfahren, Schmerzengeld, juristische Hilfe oder Unterbringung, etwa in Schutzhäusern, ermöglicht wurde.
Die (Un)Rechte der Heirat
Zwar darf eine Frau nach islamischem Recht ihren Ehemann auswählen, doch bedarf das der Zustimmung eines männlichen Familienmitglieds als Vormund. amnesty international hat besonders viele Schicksale von Frauen dokumentiert, deren Wahl durch die Familie verweigert wurde und die dafür harte Strafen erhielten.
Nach islamischem Recht gibt es zwar einen Heiratsvertrag, doch bleiben die dort festgehaltenen Rechte den Frauen oftmals verwehrt. Nach dem islamischen Scheidungsausspruch "Talaq" bleibt es Männern überlassen, sich jederzeit scheiden lassen zu können. Meist behalten sie auch das Sorgerecht der Kinder.
Vielen Frauen bleibt auch aus ökonomischen Gründen kaum eine Wahl: nur 29 Prozent der arabischen Frauen in den Golfstaaten arbeiten. Außer Oman haben zwar alle Golfstaaten die Konvention der Internationale Arbeitsorganisation (ILO), das Übereinkommen gegen Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf, unterzeichnet, doch sieht es in der Realität anders aus.
Im Königreich Bahrain dürfen Frauen abends oder nachts nicht arbeiten. In Katar erreichen Frauen zwar eine höhere Bildung als Männer, doch sind ihnen so genannte Männerberufe, wie die des Ingenieurs, verwehrt. Der Platz einer Frau ist im Haushalt, so die allgemeine Einstellung in den Golfstaaten.
Zwar gibt es Frauen, die einen Ministerposten in Oman bekleiden, doch ist die politische Partizipation in den anderen Golfstaaten für Frauen längst nicht fortgeschritten. Immerhin, seit der Veröffentlichung des Berichts im Mai dieses Jahres, wurde das Frauenwahlrecht in Kuwait eingeführt.
Im Januar 2005 organisierte amnesty international die erste Konferenz gegen Diskriminierung und Gewalt in den Golfstaaten in Bahrain. Verschiedene Vertreter stellten Empfehlungen zusammen, um die Situation der Frauen zu verbessern und leiteten sie an die zuständigen Beauftragten der Golfregionen weiter. Doch bislang, so amnesty international, gab es noch keine Antwort.
Petra Tabeling
© Qantara.de 2005
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www
Bericht zur Lage der Frauen in der Golfregion, (engl.)